Ein Review zu Deadly Premonition oder gar eine klare Empfehlung oder auch Nicht-Empfehlung ist wirklich keine einfache Sache. Ich will versuchen, euch ein paar Infos an die Hand zu geben, die euch helfen, diese Enscheidung zu treffen und erklären, warum ich letztlich doch - zögerlich - auf "Empfehlen" geklickt habe. Das hat zur Folge, dass dieses Review auch recht lang wird. Sorry dafür!

Ihr seid Agent Francis York Morgan vom FBI (nennen wir euch York, das macht nämlich jeder). Eure Aufgabe ist es, einen Mord an einer jungen Frau in einem kleinen Ort namens Greenvale aufzuklären. Ihr seid allerdings nicht einfach irgendein Agent, sondern der Mann für die besonderen, mysteriöseren Fälle. Das dies ein solcher werden wird, wird direkt bei eurer Ankunft klar...


In seinen Grundzügen ist Deadly Premonition ein OpenWorld-Horror-Krimi-Action-Advenure. Wer die 90iger-Jahre-Serie "Twin Peaks" kennt, dem sollte gesagt sein, dass das hier praktisch das inoffizielle Spiel dazu ist. Das schlägt sich im Erzählstil, dem Humor bis hin zu der Tatsache, dass viele Charaktere der Serie ihr Gegenstück im Spiel gefunden habe, sehr deutlich nieder. Wer die Serie nicht kennt, dem sei gesagt, dass ihr es in Deadly Premonition mit einem skurrilen Mix zu tun bekommt. Da ist einmal die wirklich spannende, sich an Erwachsene richtende Story, die sich vom einfachen Krimi langsam in Richtung japanischer Horror-Fantasy entwickelt. Dann haben wir die überzogenen, überkarikierten aber sehr markanten, gut ausgearbeiten Charaktere, die wegen ihrer Art und ihrer Inszenierung einfach auf eine positive Art lange im Gedachtnis bleiben werden. Dazu gibt es B-Movie-Trash und einem sehr speziellen Humor, der von tiefsten, zynischsten schwarz bis zu Slapstick eine breite Paltette abdeckt. So weit, so gut...

Leider kommen dazu auch viele Schwächen. Teilweise die Gleichen, die man in den Konsolenversionen schon hatte. Da wäre einmal die Grafik, die selbst zum Erstrelease ihrer Zeit schon um mindestens 5 Jahre hinterher hing. Schusswechsel sind mäßig realisiert, was sowohl daran liegt, dass man keine Wucht bei den Waffen spürt, als auch daran, das die Steuerung schwammig und unpräziese ist. Und wo wir gerade bei schwammig sind: das Fahrverhalten dieses Spiels ist wohl das Mieseste, was ich je in einem Spiel erleben musste. Die Straßenkarte, die sich kaum zoomen lässt und sich dazu noch ständig mitdreht ist an Nutzlosigkeit kaum zu überbieten und trägt somit ebenfalls noch ihren Anteil zum "Fahrspass" bei. Und die deutsche Übersetzung ist auch eher verständlich als gut.

Und dann haben wir da leider noch eine Menge technischer Probleme, die quasi exklusiv in der PC-Version sind. Zuerst sei angemerkt, dass es eine ganze Menge Spieler gibt, die dieses Game überhaupt niemals starten können. Selbst wenn das aber nach einigen Workarounds funktioniert (was keineswegs garantiert ist), wird man je nach System gegebenfalls von häufigen Crashes geplagt (Tipp: Komppatibilitätsmods für Windows 98/ME, allerdings geht dadurch ggf. die Framerate in den einstelligen Bereich), ab und zu verweigern die Tasten des Gamepads bis zu einem Rechnerneustart den Dienst, das Bild bleibt schwarz oder der Ton verschollen.

Dagegen wirken die restlichen Unzulänglichkeiten, wie das das Spiel ohne Mod auschließlich in 1280x720 Pixeln (720p)-Auflösung läuft, die nicht optimale Gamepadvorbelegung, die sich nur eingeschränkt ändern lasst, die Farbpalette, die bei der PC-Version verbuggt ist und somit das ganze Spiel mit einem Grauschleier überzogen ist, die miese und sehr instabile Framerate oder das das Spiel mit Maus und Tastatur fast unspielbar ist, fast schon vernachlässigbar.

Oder kurz: Technisch ist die PC-Umsetzung der eh schon altbacken wirkenden Konsolenversion eine absolute Katastrophe, wie ich sie noch nie erlebt habe. Und je moderner der PC ist, umso größer sind die Probleme. Wer kein fundiertes Wissen über seinen PC, über Treiber, deren Einstellungen und ähnliche Dinge hat und/oder wer keine Lust hat, sich auch mal 3 Stunden durch irgendwelche Forenbeiträge zu wühlen, wenn er eigentlich lieber Zocken würde, sollte vom Kauf direkt absehen. Für alle die es dennoch probieren wollen: denkt an das Steam Rückerstattungssystem.


Warum empfehle ich nun dieses Spiel, dessen Gameplayelemente für sich genommen alle höchstens Durchschnittlich sind und dessen technische Umsetzung eine Totalkatastrophe ist? Ein Spiel, dass ich ein halbes Jahr lang auf dem Laptop meiner Freundin spielen musste, weil es bei mir trotz allen Versuchen und aller Forentipps nicht zum Funktionieren zu bewegen war und das dann nur durch Zufall mehr oder minder "plötzlich" auch bei mir startete?

Es ist die Einzigartigkeit. Lange bevor sich irgendwelche experimentellen Indie-Games ohne wirkliches Gameplay versuchten, statt eines Spiels eine Erfahrung zu schaffen und sich selbst eher als Kunst als als Spiel sahen, hat Deadly Premonition diesen Schritt zur Kunst meiner Meinung nach schon geschafft - und sogar mit richtigem "traditionellem Gameplay". Es ist ein Spiel, dass mit nichts vergleichbar ist, was ihr jemals gespielt habt und vermutlich auch mit nichts, was ihr noch spielen werdet. Die einzeln betrachtet unterdurchschnittlich umgesetzten Gameplayelemente ergeben zusammen genommen ein stimmiges, durchaus positives Bild. Die Story ist spannend, rätselhaft und mit vielen Wendungen versehen, so das man unbedingt wissen möchte, wie es weiter geht. Zu den einzelnen Charakteren baut man für ein Spiel ungewöhnlich starke Bindungen auf, so das man immer wieder gern in die Welt zurück kehrt. Der Erzählstil ist einzigartig und obwohl alles immer etwas "over the top" ist, wirkt es innerhalb der Spielwelt völlig normal. Ja, selbst eine gepfiffene, sehr eingängige Melodie als Hintergrundmusik wirkt hier keineswegs albern, sondern perfekt passend. Die Gespräche des Protagonisten mit einer "unsichtbaren Person" werden auch nach kurzer Zeit für den Spieler zu etwas völlig Normalem. Alles Dinge, die man schlecht erklären kann, aber die einen unglaublichen Sog entwickeln, der die zahlreichen Schattenseiten des Spiels irgendwann in Vergessenheit geraten lässt.

Das Spiel lebt von seiner Story, von der Art, wie sie inszeniert wird und von den Charakteren als Darstellern - und spielt in diesen Disziplinen in der oberen Liga mit - nicht nur, was Spiele, sondern auch was Bücher und Filme angeht. Die Technik ist, wie schon umfassend erwähnt, totaler Mist, der Schwierigkeitsgrad ist leicht, denn obwohl York Munition benötigt, wird sie quasi niemals knapp, obwohl er essen, schlafen und Kleidung wechseln muss, stellt das niemals ein Problem dar. In der Community hat sich der Spruch etabliert, dass das Schwierigste am Spiel ist, es zum Laufen zu bekommen. Das sagt diesbezüglich schon alles. Die zahlreichen Nebenquests sind interessant, gut erzählt und geben nette Belohnungen, sind aber für das einfache Durchspielen des Spiels nicht im geringsten irgendwie Notwendig. Für die Nebenbeschäftigungen wie Angeln, Dart spielen oder Rennen fahren gilt das Gleiche. Wenn also die Story und die Charaktere bei euch nicht funktionieren, gibt es nichts anderes für euch bei Deadly Premonition zu holen. Das ist wohl auch der Grund, warum dieses Spiel die Gamer in zwei Lager teilt. Entweder man liebt es - oder man hasst es. Bei mir hat es zielgenau den Nerv getroffen und wenn die technischen Probleme nicht wären, würdet ihr an dieser Stelle nun ein überschwengliches Review mit absoluter Kaufempfehlung lesen. Das konnte es nun so leider nicht werden, aber für die geduldigeren Leute unter euch, die sich gern in gute Geschichten ziehen lassen - oder für Twin Peaks-Fans - ist es möglicherweise dennoch einen Versuch wert. Wenns läuft und ihr den ersten Technikschock überwunden habt, werdet ihr hier eine einzigartige Spielerfahrung haben und eine tolle Story, die auch unpopuläre "erwachsene" Themen behandelt.