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Posted: 30 Sep, 2020 @ 5:44am
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Ein Armband umarmt den Norden
Entspannend und emotional – beide Worte beschreiben sehr gut, was mich beim Spielen von Embracelet, dem neuen Werk des Norwegers Mattis Folkestad (machineboy), begleitet hat.

Erwachsenwerden im Niemandsland – Geschichte
Außenseiter, unglücklicher Städter, überarbeitete Mutter und verstorbener Opa – wenn es schlecht läuft, dann richtig. Wir spielen den 17-jährigen Jesper, der aus dieser schwermütigen Grundstimmung heraus dem Geheimnis eines magischen Armbandes auf den Grund geht, und zwar auf der fiktiven nordnorwegischen Insel Slepp. Dort trifft er auf die typischen Probleme einer einst florierenden Fischereigemeinschaft: Die Aufgabe der Häuser und der Wegzug der Jungen, die Suche nach Öl mithilfe verrückten Wissenschaftlern, die Ansiedlung von Künstlern, etc. Was Jesper findet sind Freundschaften, Abenteuer und der raue Charme des Nordens. Klingt etwas kitschig? Tatsächlich schafft der Autor, das Ganze unaufdringlich und erfrischend locker zu erzählen, sodass sogar die zu erwartenden Enden noch eine Überraschung parat haben.

https://steamproxy.net/sharedfiles/filedetails/?id=2238515509
Schieb den Wal… – Art des Spiels
Erkunden, Rätseln, Entscheiden: Passender als in der Steambeschreibung kann man es nicht ausdrücken. Mal wandert man relativ frei durch die Insel und entdeckt neben dem Hauptstrang nette Nebenquests (die zu Achievements führen), mal rätselt man sich in bequemen und wirklich einfachen Puzzlesequenzen weiter, mal führt man Gespräche mit den Bewohnern – meist wechselt der Schwerpunkt der Aktivitäten von Abschnitt zu Abschnitt der Story. Für die Rätsel verwendet man fast immer die magische Kraft des Armbands, das durch einen kleinen Geschicklichkeitstest aktiviert wird. Bei den Gesprächen hat man immer mehrere Auswahlmöglichkeiten, kann aber nicht wie in Point and Click-Adventures alles abarbeiten: Die dadurch getroffenen Entscheidungen wirken sich kurzfristig auf die nächste Szene aus, auf den Ausgang der Geschichte allerdings hat (wohl) nur diejenige Entscheidung kurz vor dem Ende eine Auswirkung. Alles in allem eine gute Mischung an Interaktivität, die den Spielfluss erhält und das ohne zu viel Spannung auskommende Spiel vorantreibt.

https://steamproxy.net/sharedfiles/filedetails/?id=2238515603
Polygonales Feststecken – Technisches
Zuallererst: Man sollte dem Hinweis des Entwicklers folgen – Embracelet ist für Controller gemacht. Tastatur und Maus klappte bei mir auch irgendwie recht gut, nur sind die Richtungswechsel in einem 3D-Spiel eben dann ein kleines Fingertraining; spätestens bei Aktionen wie Balancieren ein Graus. Die Grafik mit ihrem Low-Poly-Stil hat ihren Reiz in der Einfachheit, erst einmal gewöhnungsbedürftig, dann aber auch irgendwie passend für die Kargheit des Nordens und ihrer Bewohner. Verbesserungswürdig ist sicherlich noch die Wegfindung von Jesper: zu oft bleibt man irgendwo hängen. Allerdings reagiert der Entwickler schnell und hat bereits die ersten gemeldeten Bugs gepatched. Die musikalische Untermalung ist zurückhaltend, gerade in der ersten Sequenz daheim in Oslo; bestehend aus Pianoklängen gibt sie aber zur rechten Zeit den Situationen eine angenehme Tiefenwirkung. Auf eine Sprachausgabe wurde verzichtet, man unterhält sich/klickt sich durch Sprechblasen.

…zurück ins Meer – Sonstiges
Die 5 Spielstunden, die ich für Embracelet brauchte, waren genau richtig: Kaum Längen, eine stringente Erzählung und doch Freiheiten für eigenes Tun. Da ist der Preis von 10,79 € eine angemessene Gegenleistung. Die deutsche Übersetzung ist auf Profi-Niveau, nur ganz wenige Fehler sind mir untergekommen. Dazu gibt es 21 Achievements, von denen ca. die Hälfte storybezogen sind, der Rest durch Nebenquests erreicht werden kann; leider muss für das zweite Ende ein zweiter Spieldurchgang her, da man nur einen automatisch angelegten Saveslot hat.

https://steamproxy.net/sharedfiles/filedetails/?id=2243786741
Embracelet setzt auf erfrischendes und angenehmes Erkunden, Rätseln und Unterhalten auf einer norwegischen Insel. Auch wenn auf Spannung fast verzichtet wird, folgt man der hervorragend geschriebenen Geschichte um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gerne. Kleinere technische Mankos und dem Einmannteam geschuldete Einbußen bei der Grafik vergisst man da gerne. Für alle zu empfehlen, die entspannt „Urlaub“ in Nordnorwegen machen wollen – Fluchen inbegriffen

Lust auf mehr Reviews mit einmal mehr und einmal weniger archäologischen Anmerkungen? Probier doch meine Kuratoren-Gruppe The Archaeologist plays… aus.
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4 Comments
Tyler Durden 26 Dec, 2021 @ 8:16am 
Die Grafik schreckt mich etwas ab. Hab ich schon bei Spielen woe "State of Mind" oder "Virgina" nicht gemocht. Ich behalte den Titel aber mal im Hinterkopf.
Godofhellfire 30 Sep, 2020 @ 10:12pm 
Danke. Das Spiel ist wie ihr: Charmant!
Tackle 30 Sep, 2020 @ 10:16am 
Spitzen Rezension!
Keks 30 Sep, 2020 @ 6:16am 
Klasse Rezension, wie immer. Werde etwas neugierig auf diesen Exoten.