16 people found this review helpful
1 person found this review funny
Recommended
0.0 hrs last two weeks / 10.6 hrs on record (10.2 hrs at review time)
Posted: 21 Oct, 2022 @ 6:46am

Ein horrendes Volksmärchen? Crap? Hogwash!
Hügelgräber? Eine Archäologin? Point and Click? Schnappatmung…Es hat sich gelohnt: The Excavation of Hob’s Barrow zeigt, dass es jenseits von der Affeninsel herausragende Point and Click-Adventure gibt, dass Wadjet Eye Games auch als Publisher für Qualität bürgt. Denn Hob’s Barrow von den britischen Cloak and Dagger Games ist schon jetzt meine Überraschung des Jahres!

Vom Regen in den Aderlass – Geschichte und Art des Spiels
Als Archäologin oder besser „barrow-digger“ Thomasina Bateman sind wir im Dorf Bewlay und Umgebung auf der Suche nach dem sagenumwobenen „hob’s barrow“, den wir gerne ausgraben würden. In traditioneller Point and Click-Manier befragen wir die Bewohner des Dorfes, lösen einige Rätsel und genießen die englische Moorlandschaft mit ihren Märchen, bis wir – ja bis wir dann in das Hügelgrab kommen. Und mit Beginn der Ausgrabung wird es dann wirklich krass und unerwartet grausig, der Spannungsbogen wird recht perfekt mit vielen Vorahnungen, Zeichen, etc. benutzt, bis er regelrecht explodiert. Dabei implementiert das Spiel all die modernen Erleichterungen: Abkürzung der Wege, Gespräche, eine Karte, eine To do list usw. Hauptaugenmerk liegt aber auf der Geschichte und den Gegensätzen Forscherin – skurrile Dorfbewohner, Kirche – pagane Vergangenheit, Rationalität – Aberglaube, die glaubhaft und unterhaltsam umgesetzt werden.

https://steamproxy.net/sharedfiles/filedetails/?id=2868885795
Verwurmte Rätsel?
Die Rätsel in Spiel fügen sich ausnahmslos in die Geschichte ein: Also keine Schieberätsel, Puzzle oder derartiges, sondern überwiegend Rätsel, die auf der richtigen Anwendung von Inventargegenständen auf die Umwelt beruhen. Erst im letzten Drittel im Hügelgrab wird es abwechslungsreicher, da man hier Notizen und Symbole richtig deuten muss. Alles in allem ist der Schwierigkeitsgrad mehr als angenehm: Ich hing an zwei Stellen (Apfel und Grabtür), was aber an meiner Schlauheit lag. Insgesamt fand ich die Rätsel gut implementiert, ohne den Spielfluss und das Narrativ zu hemmen.

https://steamproxy.net/sharedfiles/filedetails/?id=2871708892
Pixelkelle und Clickbeat – Sound, Grafik, Technik
Kommen wir zur Grafik und kann Pixelkunst Landschaften zum Verlieren schaffen, kann sie Emotionen von Menschen sichtbar machen? Ja sie kann: Es gibt einige Stellen im Spiel, an denen man eingeladen wird, stehen zu bleiben und die englische Moorlandschaft zu genießen. Was aber noch herausragender gelingt, sind die immer wieder auftauchende Nahaufnahmen von Gesichtern als Stilmittel: das erzeugt Mitgefühl und Grusel, das hebt das Spiel von anderen stark ab, toll!

https://steamproxy.net/sharedfiles/filedetails/?id=2868885803
Die so geschaffene Atmosphäre wird durch Soundeffekte und musikalische Untermalung verstärkt: Auch hier manchmal einfühlsam, manchmal aufwühlend und das „Böse“ ankündigend. Alle Protagonisten sind professionell vertont, die mit durchaus anspruchsvollem Wortschatz gespickten Gespräche sind gewandt und sprühen teils von Humor. Auch bei den technischen Aspekten kann ich nicht klagen: keine Fehler, ein manuelles und automatisches Speichersystem, einzig, dass bei Screenshots (F12) das Gespräch abgebrochen wurde, störte mich.

Herbert und der Goblin – abschließende Gedanken
„The Excavation of Hob’s Barrow” nimmt uns 8-9 Stunden mit ins Derbyshire Englands und greift dort ein Volksmärchen auf, das intelligent mit einer Familientragödie und dem Streben nach Geschichtsverständnis im ausgehenden 19. Jh. verknüpft wird. Das Spiel atmet den lokalen Charakter der Moorlandschaft mit ihren Geschichten und Dramas. Gameplaytechnisch verbinden die Entwickler das traditionelle Genre mit aktuellen Spielgewohnheiten und lassen mit einigen Kunstgriffen (Nahaufnahmen) ein eindrucksvolles Werk entstehen, ganz in der Tradition von Horrorliteraten wie M.R. James. Wer irgendwas mit Point and Click-Adventures anfangen kann, sollte Hob’s Barrow unbedingt spielen!

Ein hervorragendes Point and Click im Derbyshire des 19. Jh., das die Spannungsfelder Rationalität-Aberglaube, Familie-Beruf und Kirche-paganer Glaube in stimmungsvolle Pixel gießt. Diese unheilverheißende Atmosphäre der liebevollen Charaktere bis zum verstörenden Ende sollte bei jedem Genreliebhaber auf dem Zettel stehen.

Lust auf Reviews mit einmal mehr und einmal weniger archäologischen Anmerkungen? Probier doch meine Kuratoren-Gruppe The Archaeologist plays… aus.
Was this review helpful? Yes No Funny Award
6 Comments
bertkli 8 Oct, 2023 @ 8:08pm 
Klasse Review und schön, dass Dir dieses Spiel auch gefallen hat. Insgesamt hätte das viel mehr Aufmerksamkeit verdient...

(P.s. Auf Diene Review freu ich mich dann auch schon, Tyler... :-))
Tyler Durden 26 Nov, 2022 @ 12:42pm 
Prima Review! Hatte das Spiel ohnehin schon auf dem Radar, da ich einer der Spieler bin, die was mit einem Point and Click-Adventures anfangen können. Dein Review und das Review von UnderwaterFrank lassen mich über die fehlende deutsche Lokalisierung hinwegsehen. Hab es gerade gekauft.
Badseb 21 Oct, 2022 @ 1:06pm 
Das habe ich leider schon gesehen.
Godofhellfire 21 Oct, 2022 @ 12:13pm 
Danke euch beiden! Was ich ganz vergessen hab: Leider gilt wie bei allem, wo Wadjet Eye beteiligt ist, keine deutschen Untertitel.
Keks 21 Oct, 2022 @ 7:41am 
Sehr schön beschrieben. Auch schön archäologisch!
Badseb 21 Oct, 2022 @ 7:11am 
:cupup: