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Posted: 5 Oct, 2020 @ 9:08am

Auf eine Jam-Session mit Plato, Nietzsche und Elohim
In was bin ich da hineingeraten? Nach fast 50 Stunden rätseln, philosophieren und Kulissen bestaunen legte ich mich in meinen Sarkophag: Doch ich bleibe euch als Bote erhalten! The Talos Principle hat mich gefesselt, genervt und mein Gehirn verbrutzelt – für mich ein großartiges Spiel, das 2014 nach Portal eines der ersten Spiele war, das Puzzles allein zum Spielprinzip machten.

Serious Talos? – Zusammenspiel und Werdegang
Vor kurzem erschien der 4. Teil der Reihe, mit der das Entwicklerstudio Croteam berühmt wurde, Serious Sam. Für eine neue Spielmechanik entwickelte man den Jammer, baute Leveldesigns aus Lego und lies das Ganze testen: Die Euphorie ließ daraus die Grundmechanik für The Talos Principle werden, eine neue IP war geboren. Daher überrascht es nicht, dass man Assets aus früheren Serious Sam-Teilen in Talos Principle findet, aber auch einige neue Assets aus Talos Principle in SS 4 erkennt.

https://steamproxy.net/sharedfiles/filedetails/?id=2179550590
Ein weiterer Punkt: Die Rätsel mit ihrem Leveldesign waren quasi fertig, als man eine Geschichte um Menschsein, Ewigkeit und Gehorsam in einer Simulation darum stricken wollte. Dies erklärt, warum Puzzles und Story, die rein durch PC-Panels erzählt wird, kaum bis nicht aufeinander Bezug nehmen bzw. miteinander verzahnt sind – einer der wenigen Kritikpunkte. Da aber sowohl Puzzles als auch die Geschichte absolute Topqualität bieten, ist dies verschmerzbar; man könnte sogar nur mithilfe der Puzzles zum Ende kommen, würde dann aber tiefgründige Auseinandersetzungen mit dem Schicksal der Menschen, Ethik und Umgang mit Roboter, freiem Wille und Selbstbestimmung verpassen, die sich aus antiken und (vor-)modernen philosophischen und religiösen Texten speisen.

Ein Turm aus Hexahedrons – Puzzles, Geheimnisse und Katzen
Das zentrale Spielelement sind also Puzzles, in denen man die Umgebung mithilfe weniger Hilfsmittel manipulieren muss, um an die hinter Barrieren verborgenen Tetraominos zu gelangen. Also geometrische Formen, mit denen man wiederum Türschlösser öffnen kann, um den Aufstieg zum Turm zu beginnen; einen Aufstieg, den unser Meister und Gott, Elohim, nicht billigt. Die Schwierigkeitskurve der Puzzles ist sehr gut getroffen: Nach grün, folgt gelb, folgt rot. Diese hatten es aber in sich, sodass man oft durchaus auf einen Gedankenblitz an einem anderen Tag hoffen musste. Das Schöne daran ist aber, dass es meist mehr als den einen Lösungsweg gibt, manchmal sogar einen vom Spiel nicht vorhergesehenen. Und dann gibt es die Sterne, ebenfalls hinter einer Barriere, aber nur durch unkonventionelle Methoden erreichbar: diese zu erreichen, die aber nur für das letzte von drei Enden nötig sind, war mir zu schwierig. Da ich aber unbedingt dieses Ende wollte, gabs eben Hilfe aus dem Netz. Und dann gibt es geheime Räume mit weiteren Rätseln (silberne Tetraominos) und eine Vielzahl von Eastereggs (Schneemänner, Valve-Monde usw.), von denen ich nur einen Bruchteil zu Gesicht bekam. Schlussendlich hätte ich auf ca. ¼ der Spiellänge verzichten können, obwohl immer interessant, aber das Ende hinauszögernd.

Robotic Archaeology – Spielwelten
Was mich aber überhaupt am meisten beeindruckt hat: die Spielewelten. Es ist traumhaft, in den Ruinen einer fiktiven römischen Stadt, in ägyptischen Pyramiden und Tempelarealen sowie in mittelalterlichen englischen Burgenlandschaft spazieren zu gehen, über die Mauern zu springen und Entdecker zu spielen. Gerade als Archäologe umso mehr, da die Photogrammetrie, mit der viele Mauern und Skulpturen in The Talos Principle 2014 digitalisiert wurden, endlich auch in meiner Disziplin vermehrt Einzug hält.

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Wer sich für die historischen Vorbilder von Skulpturen und Gebäuden in Hub A, der römischen Welt interessiert, darf liebend gerne meinen kleinen Essay darüber lesen – inklusive dem Fund, dass Croteam gern einmal das männliche Glied als Fehlstelle „präsentiert“: The Talos Principle – An excursion to the past with ruinous contexts.

Die Mischung aus altehrwürdigen Bauten antiker Zivilisationen vermischt mit futuristischen Details und Spielmechaniken war für mich so etwas wie eine kleine Offenbarung. Ich freue mich auf das Gehenna-DLC sowie auf die vor kurzem erneuerten Informationen über einen Nachfolger.

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The Talos Principle regt zum Nachdenken an: Über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, über das Lösen des Puzzles, über die Ethik der Forschung und die großen Fragen der Menschheit. Auch wenn Plot und Rätsel kaum verzahnt sind, gehören beide zum Besten, was es gibt. Und wenn ihr mal Hilfe beim Spielen dieses Ungetüms braucht, stehe ich als Bote Elohims gerne zur Verfügung!

Lust auf mehr Reviews mit einmal mehr und einmal weniger archäologischen Anmerkungen? Probier doch meine Kuratoren-Gruppe The Archaeologist plays… aus.
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5 Comments
timothymark 11 Dec, 2023 @ 6:57pm 
Very good review, danke!
Tyler Durden 26 Dec, 2021 @ 8:08am 
:steamthumbsup:
Keks 5 Oct, 2020 @ 2:27pm 
Exezellent as usual. Aber dass das dieselben sind, die den Funshooter Serious Sam entwickelt haben, das haut mich nun doch um.
Ich halte das Spiel für ein absolutes Juwel unter den Rätselspielen. Leider habe ich (bei meinem ersten Versuch) nicht alle Rätsel lösen können. Glückwunsch also dafür, Godofhellfire!
Tackle 5 Oct, 2020 @ 11:47am 
Preview Streber. Super gemacht !
Arctica 5 Oct, 2020 @ 9:53am 
Klasse wie immer.