Ja, Cyberpunk 2077. Wahrlich alles andere als Liebe auf den ersten Blick. Und für viele Spieler auch hier zurecht eine ziemlich schwierige, für mach einen sogar eine äußerst ärgerliche Angelegenheit.

Kaum ein anderes Game wurde in den letzten drei bis vier Jahren so gehyped wie CD Projekts Cyberpunk, seitdem diese mit Witcher 3 einen internationalen Mega-Erfolg gelandet und sich damit endgültig einen Platz im Olymp der besten Spiele gesichert haben. Auch wenn es bereits hier Kritik gab - z.B. zu wenig Rollenspiel, zu viel Action - so ist der Grundtenor doch bis heute äußerst positiv. Für mich persönlich, PC-Spieler seit ca. 30 Jahren, war es eine einmalige Erfahrung, die mir wohl für immer in Erinnerung bleiben wird. Entsprechend hoch also allerorten die Erwartungen an das nächste Projekt. ... Und dann dieser Release.

Vor allem auf den Konsolen im katastrophalen Zustand veröffentlicht, so mussten auch wir PC-Spieler mit einem streckenweise fast halbfertig wirkenden Game vorlieb nehmen. Immer wieder gab es Bugs, Glitches, teilweise sogar Quest-Stopper. Viele der erhofften Features waren nicht enthalten. Die Open World oftmals nur eine sterile, vor allem im Bezug auf die Gebäude vielfach nicht betretbare Kulisse, welche jedoch bei aller Kritik grafisch bereits ziemlich fantastisch aussah. Allein die Immersion, sie wollte sich auch bei mir zu Beginn aus vielen der genannten Gründe nicht einstellen. So habe ich vor allem die ersten 30 Stunden das Ganze eher als große Sandbox gespielt, die Haupt- und Nebenquests (zu meiner nachträglichen Schande) weitestgehend ignoriert - irgendwie auf der Suche nach dem richtigen Gefühl, nach dem Moment wo es endlich Klick macht und der Funke überspringt.

Bevor es dazu kommen konnte, stoppte mich nach ca, 45 Stunden der Save-Game-Bug. Das kurz im Anschluss mein Gaming-Notebook den Geist aufgegeben hat, passte da irgendwie gut ins Bild. Fast ein ganzes Jahr blieb ich daher Night City fern, bis ich - mit neuer Hardware ausgerüstet - jetzt einen erhofften zweiten Anlauf wagte und - wohl dank einiger Patches - vom vorher fehlerhaften Speicherstand weiterspielen konnte. Im Nachhinein eine meiner besten Entscheidungen, denn im weiteren Verlauf hatte mich Cyberpunk nun endlich am Haken. Mehr noch: Ich habe mich nun selbst dabei ertappt, wie ich immer wieder Pausen eingelegt habe, um entweder Entscheidungen genau zu überdenken oder aber auch einfach das Vorankommen zu verlangsamen, damit es nicht zu schnell zu Ende geht.

Was aber ist der Grund für diese komplett geänderte Einstellung zum Spiel? Nun, kleinere Bugs und Glitches gibt es weiterhin, wenn auch in geringerer Zahl. Und auch in Punkto Gameplay (z.B. Waffenhandling oder das Hacken) ist Cyberpunk immer noch keine Revolution. Das Spiel macht nirgendwo irgendetwas viel besser als die Konkurrenz. Manchmal sogar ganz im Gegenteil. Mit jedoch einer entscheidenden Ausnahme: Die NPCs und ihre fantastischen Quests.

Was CD Projekt hier rund um V, Judy, Panam, Jackie Wells, Rogue und Johnny Silverhand storytechnisch abbrennt, das ist nichts geringeres als ganz großes, gefühlsintensives Kino. Insbesondere letzterer ist weit mehr als nur ein Marketinggag - ein wichtiger, fantastischer, weil ambivalenter Charakter, wie er mir lange nicht mehr (wenn überhaupt je) in einem Spiel begegnet ist. Und nebenbei ein Ar*** ganz nach meinem Geschmack, das trotzdem an keiner Stelle überzeichnet wirkt. Überhaupt meidet Cyberpunk weitestgehend typische Klischees, schafft es in diesem menschenfeindlichen und menschenverachtenden Setting doch ironischerweise immer wieder äußerst geschickt und berührend für menschliche Momente zu sorgen. Oftmals unglaublich komisch, nicht selten aber auch tieftraurig. Hinzu kommt (zumindest in meinem Fall) eine Romanze mit einer Frau, die mir tatsächlich ans Herz gewachsen ist und am Ende wirklich etwas bedeutet. Wann macht man sich schon richtige Sorgen um einen NPC in einem PC Spiel? Und auch das ich mich je darüber gefreut habe, dass aus einer Beziehung mit einer Figur in einem PC-Spiel am Ende dann wirklich etwas wurde - daran kann ich mich partout nicht erinnern.

Das grandiose Questdesign (z.B. in der beklemmende Quest "The Hunt", die es mit dem "Blutigen Baron" aus TW3 durchaus aufnehmen kann) die (je nach Wahl) fantastischen Enden (die kaum einen kalt lassen dürften), der (besonders zum Schluss) bestialisch gute Soundtrack und die im weiteren Verlauf endlich stimmige und sogkräftige Kulisse - sie katapultieren Cyberpunk schließlich doch noch ziemlich weit nach oben in meiner persönlichen Bestenliste, so dass ich das inzwischen "Größtenteils positive" Feedback hier auf Steam nur mit einem dicken fetten Edding unterstreichen kann.

Cyberpunk 2077 ist - trotz all seiner Macken - ein Erlebnis sondergleichen, für das ich mir nun unbedingt weiteren Content in Form von DLCs erhoffe. Das kann, nein, das darf einfach nicht das Ende von Vs Geschichte sein.

- Grafik: 96°
- Sound: 90°
- Atmosphäre: 95°
- Umfang: 88°
- Leveldesign: 90°
- Handlung: 97°
- KI: 83°
- persönl. Spielspaß: 95°

= 92°