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Not Recommended
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Posted: 29 Nov, 2017 @ 7:50am
Updated: 27 Jan, 2021 @ 6:15am

"Blut ist nicht immer dicker als Wasser."

Das ursprüngliche Black Mirror von "Future Games" gehört für mich - neben The Longest Journey und Syberia - zu den besten Point&Click-Spielen seit der Jahrtausendwende. Insbesondere wegen der fesselnden Atmosphäre, unvorhersehbaren Handlung und psychologischen Erlebnissen des Protagonisten werde ich dieses Spiel und seine beiden exzellenten Nachfolger niemals vergessen. Dementsprechend war ich sehr gespannt auf das aktuelle Reboot von "KING Art". Angeblich würde Black Mirror die Original-Trilogie als Fundament verwenden, das Gameplay auffrischen und den Fokus auf Erkundung mit deduktiven Elementen legen. Zusätzlich würden Visionen und Alpträume dem Ganzen einen leicht surrealen Unterton geben. So ist es jedoch nicht.

David reist nach dem Suizid seines Vaters zum Anwesen der Gordons nach Schottland, um sein Erbe entgegenzunehmen. Doch das Schloss und seine Bewohner (Davids Urgroßmutter und vier Angestellte) bergen grausame Geheimnisse. Es scheint, als würde ein Fluch, ein dunkler Spiegel auf den Seelen des Hauses lasten. Nach und nach deckt David die grausamen Wahrheiten über die Familienvergangenheit - und damit auch über sich selbst - auf.

Diese Beschreibung erinnert sehr stark an die Version von 2003, doch schon nach dem ersten der fünf Akte steht fest, dass alles andere geändert, gekürzt oder geschnitten wurde. Geblieben sind die Fassade und Eingangshalle des Black Mirror Castles sowie die plötzlichen Blackouts des Protagonisten. Weder Willow Creek noch die einprägsame Kirche mit dem Friedhof wurden übernommen, wodurch die Geschichte fast ausschließlich auf dem Grundstück der Gordons spielt. Leider fehlen im Schloss viele Räume sowie der alte Flügel. Deshalb existieren innerhalb des Hauses höchstens fünfzehn und außerhalb genau fünf Orte zum "Erkunden". Letzteres setzt sich aus stumpfen Ablaufen der Wege und Begrenzungen bis zum Aufleuchten der Interaktionstaste zusammen. Allerdings ist dies äußerst selten, wodurch Pixelsuchen und Trial & Error Kombinationsversuche der Vergangenheit angehören. Einerseits wird dadurch der Spielfluss seltener unterbrochen, aber andererseits bleiben Erfolgsmomente aus und die Spielzeit wird enorm gestaucht. Nach weniger als sechs Stunden ist das Spiel - mit allen Steam-Errungenschaften - abgeschlossen.

Nach dem Abspann dominiert das Gefühl der Unzufriedenheit. Die Handlung ist teilweise zu seicht, die Rätsel und Quick-Time-Events sind anspruchslos, die Steuerung per Gamepad ist nervenaufreibend, die Charaktere/Geister wirken eintönig und zahlreichen Audio- sowie Grafikfehler zerstören oftmals die Atmosphäre. In Bezug auf Letztere sind insbesondere die Charakteranimationen in Dialogen hervorzuheben, denn sobald mehr als zwei Personen miteinander kommunizieren, verwandelt sich mindestens eine von ihnen in eine Wachsfigur. Außerdem sind Teile der Interaktionsmöglichkeiten und Tonspur nicht komplett übersetzt, wodurch unvorbereitet englische Anweisungen oder sogar Stimmen erscheinen beziehungsweise erklingen. Weiterhin sind die Lautstärken der Monologe und Dialoge nicht aufeinander abgestimmt und wenn ein Ortswechsel erfolgt, kann es passieren, dass David auf der anderen Seite aus dem Boden "wächst". Am schwerwiegendsten ist jedoch ein Bug, welcher am Anfang von Gesprächen auftreten kann: David versucht in Richtung seines Gegenübers zu laufen, erstarrt aber plötzlich und weitere Bewegungsmöglichkeiten werden blockiert. Ständiges manuelles Speichern wird zur Pflicht.

Obwohl ich Veränderungen und neue Techniken bei Nachfolgern von klassischen Point&Click-Abenteuern (Yesterday Origins, Silence und Obduction) ausgesprochen begrüße und meistens Gefallen in diesen finde, kann ich Black Mirror kaum positive Elemente abgewinnen. Lediglich der Soundtrack und die Steam-Errungenschaften sowie Sammelkarten stechen heraus, doch damit endet die schmerzhaft kurze Liste der positiven Aspekte bereits.

Somit empfehle ich das Spiel weder den Fans der Trilogie, noch Black Mirror Neulingen. Erstere werden vermutlich aufgrund der hohen Erwartungen enttäuscht und letztere erhalten einen verfälschten Einblick in die Mysterien des facettenreichen Gordon Fluchs. Es ist ein liebloses Reboot geworden, das den Namen Black Mirror nicht verdient.
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22 Comments
Sascha 28 Feb, 2022 @ 7:52am 
Tolle Review. Hab immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt, es mir mal zu holen, werde davon aber weiterhin Abstand nehmen. Obgleich ich etwas spät dran bin...Eine Frage hab ich aber doch noch. Seit wann steht das Black Mirror Castle in Schottland? Dachte immer, es sei in West-England. oder hat man das im Spiel jetzt einfach nach Schottland verschoben?^^
Franz-Gabriel 🏳️‍🌈 29 Dec, 2021 @ 1:49am 
Ich wollte schon aus Liebe zu Samuel und Adrian dieses Reboot nicht spielen. "F U David.", dachte ich mir. :angry_yeti: Aber nun wollte ich über meinen Schatten springen und mir zumindest mal das Spiel ansehen auf Steam. Die Review ist mega gut geschrieben. Werde es nicht spielen und damit meine geliebte Black Mirror-Reihe ruinieren.
Tyler Durden 21 Feb, 2021 @ 2:29am 
Besten Dank für dieses Review. Ich werde das Spiel ignorieren.
🐦𝕳𝖚𝖌𝖎𝖓🐦 21 Nov, 2020 @ 11:45am 
Diese Review trifft den Nagel auf den Kopf. Wollte es unbedingt haben, weil ich von den ersten 3 Teilen so fasziniert war. Jedoch war das Game eine derbe Enttäuschung
Willard 2 Jul, 2020 @ 11:43pm 
Vielen Dank für die fundierte und interessante Kritik. Hatte mit dem Spiel geliebäugelt; werde es aber wohl erst mal lassen
Ich finde deine Reviews immer sehr ausführlich, informativ und aufschlussreich.
Würde dich gerne in meine Freundesliste aufnehmen, damit ich nichts mehr verpasse.
Credissimo 28 May, 2020 @ 3:30am 
Ich wünschte, es würden mehr über die inkohärente Story reden als darüber was nicht in diesem Spiel ist.
Mikani17 13 Jan, 2018 @ 9:08am 
Ach Sch... hatte mich so darauf gefreut. Aber das klingt ja sehr enttäuschend. Werde wohl lieber die Finger davon lassen. Maximal im Sale für 5 Euro. :steammocking:
Kirika 5 Dec, 2017 @ 8:12pm 
Kann mich dem Review hier nur anschließen. Bin ebenfalls ein großer Fan der Black Mirror Reihe und auch für mich ist es eines der besten Point and Click Adventures. Daher habe ich mich sehr gefreut, als ich den Reboot bei Steam entdeckt habe.Hier zerstören aber zahlreiche Texturbugs, lange Ladezeiten, die unsauber Steuerung des Charakters und der ebenfalls in dem Review schon beschrieben Bug, der einen zum Neu laden zwingt, die potentiell gute Atmosphäre. Auch von mir keine Kaufempfehlung
Pluto 4 Dec, 2017 @ 2:37pm 
Very good review, I completely agree with it.
Joole Bamboole ✿ 1 Dec, 2017 @ 11:58pm 
Vielen Dank für dein sehr aufschlussreiches Review! Als ich gesehen habe, dass es ein Reboot des Black Mirror P&C gibt, war ich voll von den Socken. Mein erstes Point and Click Adventure in drei Teillen und bislang ungeschlagen mein liebstes. Deiner Beschreibung nach, bin ich sicher, dass es mich ebenfalls wie dich enttäuschen wird. Ich glaube, dann werde ich es mir zumindest nicht zum jetzigen Preis zulegen, neugierig bin ich aber schon. :)