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Posted: 7 Mar, 2017 @ 3:26pm
Updated: 6 Jul @ 11:26pm

Odyssey - The Story of Science ist ein interessantes Edutainment-Spiel, das physikalische Phänomene auf entspannte und unkomplizierte Weise vermittelt.

Die dreizehnjährige Kai Rao, ihr zwei Jahre älterer Bruder Sid und ihre Eltern brechen gemeinsam zu einem Abenteuer auf den Wretched Islands auf, um dort archäologische Untersuchungen und Studien durchzuführen. Das Betreten dieser kleinen karibischen Inselgruppe ist normalerweise streng untersagt und nur mit einer Genehmigung erlaubt. Dabei begleitet sie ein einheimischer und kundiger Fischer, der einst auf dem Eiland strandete und gerettet wurde. Doch schon nach wenigen Tagen stellen sie fest, dass sie nicht alleine sind - eine Gruppe Banditen vermutet auf den Inseln einen Schatz und möchte die Ausgrabungen zu ihrem Vorteil nutzen. Deswegen stellt die Familie zahlreiche Hindernisse in Form von Rätseln auf und versteckt sich. Nachdem die oder der Spielende mit ihrem oder seinen Boot in die Nähe der Geschehnisse gelangt, empfängt er oder sie den letzten verzweifelten Hilferuf Kais per Radio - die Suche und Rettung können beginnen.

“If you're a fan of The Witness, Dear Esther or Myst, Odyssey should intrigue your curious brain.” - GameWatcher

Diese Aussage ist meiner Meinung nach völlig fehlleitend. Nur weil sich ein Adventure auf einer Insel abspielt, die gefüllt mit Rätseln ist, kann man einen solchen Vergleich nicht ziehen. Die genannten Spiele, vor allem The Witness, überzeugen durch einen enormen Entdeckungsfaktor und konzentriertes Nachdenken, um Hinweise zu kombinieren und zu Lösungen zu verarbeiten. Odyssey hingegen ist streng linear und zeichnet sich überwiegend durch Puzzles mit seichter Lernintention aus.

Überall auf den Inseln sind Seiten von Kais Tagebuch verstreut, welche die oder der Spielende nach und nach einsammelt. Diese Aufzeichnungen beinhalten Erlebnisse und neue Erkenntnisse, welche das junge Mädchen während seines Aufenthaltes gesammelt hat. Zunächst wird über die Frage, wie es die Menschheit geschafft hat die kugelförmige Struktur der Erde und ihre elliptische Bewegung um die Sonne zu beweisen - ohne den Planeten verlassen zu können - philosophiert und die Rätsel thematisieren einfache Weltansichten antiker Astronomen (Vier-Elemente-Lehre des Aristoteles) oder Sternbildkonstellationen sowie Planetenumlaufbahnen. Der oder dem Spielenden wird erklärt, wie das heliozentrische Weltbild das geozentrische ablöste und warum die Erdachse geneigt ist. Später werden oberflächliche Inhalte der Kinematik behandelt, wobei aus Diagrammen und Experimenten Schlüsse über gleichförmige Bewegungen oder Periodendauern von Schwingungen gezogen werden müssen. Der dritte und letzte Bereich schließt das Spiel mit gekoppelten Fadenpendeln ab.

Spätestens jetzt sollte eindeutig klar sein, dass Odyssey überwiegend ein Lernspiel für Schülerinnen und Schüler der ersten Sekundarstufe ist. Das Problem ist nur: Noch gibt es keine Übersetzung und das Lesen der Tagebuchseiten ist essentiell. Denn in ihnen befinden sich gelbe Markierungen, welche im ersten Teil die Lösungen der Rätsel komplett beschreiben und im zweiten Teil Lösungswege aufzeigen - und das auf über 250 Seiten physikalischer Theorien und Illustrationen. Wer keinen umfangreichen englischen Wortschatz besitzt, nicht gern liest oder sich nur wenig für Physik interessiert, wird schnell frustriert sein. Denn die Mehrheit der Rätsel ist ohne diese Informationen nicht lösbar. Leider. Oftmals war es mühsam die detaillierten Beschreibungen Kai's auf den gebastelten Modellen eins-zu-eins umzusetzen. Darüber hinaus habe ich persönlich kaum etwas Neues gelernt, denn Nachdenken war nebensächlich. Im zweiten Teil wurde es dann etwas anspruchsvoller, da simples Ablesen nicht mehr gereicht hat. Die Schwierigkeit bestand nun darin, aus Beobachtungen zu schließen ohne Berechnungsformeln vorgelegt zu bekommen. Doch Jeder, der bereits fundamentalen Grundlagen der Kinematik besitzt, kann die Rätsel mit den passenden Gleichungen schnell lösen. Schade, dass die eigentliche Zielgruppe dadurch so stark begrenzt wird. Kinder unter elf Jahre werden vermutlich schnell das Interesse verlieren und vielen Jugendliche ab 13/14 Jahre oder Erwachsenen wird es an Herausforderungen fehlen. Doch für diejenigen im Bereich dazwischen ist Odyssey ein sehr gelungenes Spiel und erfüllt alle Versprechen.

Außerdem sind die Grafik und der Sound ausgezeichnet! Ernstzunehmende Bugs sind mir nicht aufgefallen. Lediglich die Bewegung fühlt sich beim Loslaufen/Umschauen unrealistisch an und der Preis ist für drei bis vier Stunden Spielzeit eher zu hoch. Den Early Access-Release kann ich nicht nachvollziehen, da das Spiel fertig ist, wenngleich das Ende abrupt und etwas enttäuschend war. Generell wirkt der letzte Bereich im Vergleich zu denen davor sehr bruchstückhaft. So sind lediglich zwei "Rätsel" integriert, wobei das erste ziemlich enttäuschend ist und die oder den Spielenden intellektuell unterfordert.

Wer auf der Suche nach einem Entdeckungsspiel mit anspruchsvollen Rätseln ist, kann mit Odyssey definitiv Gefahr laufen, enttäuscht zu werden. Meine Review soll diejenigen warnen, die solche Spiele als langweilig empfinden und diejenigen motivieren, die Freude im Umgang mit "neuen" Methoden der Spielgestaltung haben oder ihr Wissen aus Schulzeiten "testen" wollen. Mich selbst überzeugten die Screenshots so sehr, dass ich das Spiel blind gekauft habe und danach überrascht wurde. Da mich die Story gepackt und die Umsetzung fasziniert hat, kann ich Odyssey eingeschränkt empfehlen.
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