J.W.Goethe.(1749-1832).
Trost in Traenen.

Wie kommt’s, dass du so traurig bist,
Da alles froh erscheint?
Man sieht dir’s an den Augen an,
Gewiss, du hast geweint.

»Und hab ich einsam auch geweint,
So ist’s mein eigner Schmerz,
Und Traenen fliessen gar so suess,
Erleichtern mir das Herz.«

Die frohen Freunde laden dich,
O komm an unsre Brust!
Und was du auch verloren hast,
Vertraue den Verlust.

»Ihr laermt und rauscht und ahnet nicht,
Was mich, den Armen quaelt.
Ach nein, verloren hab ich’s nicht,
So sehr es mir auch fehlt.«

So raffe denn dich eilig auf,
Du bist ein junges Blut.
In deinen Jahren hat man Kraft
Und zum Erwerben Mut.

»Ach nein, erwerben kann ich’s nicht,
Es steht mir gar zu fern.
Es weilt so hoch, es blinkt so schoen,
Wie droben jener Stern.«

Die Sterne, die begehrt man nicht,
Man freut sich ihrer Pracht,
Und mit Entzuecken blickt man auf
In jeder heitern Nacht.

»Und mit Entzuecken blick ich auf,
So manchen lieben Tag;
Verweinen lasst die Naechte mich,
Solang ich weinen mag.«

1803