Ich habe die letzten Wochen damit verbracht die komplette Zero Escape Trilogie durchzuspielen und selten habe ich eine Story erlebt welche einen zu Beginn so sehr in seinen Bann zieht dass man nicht erwarten kann wie es weitergeht, nur um einen am Ende dafür zu bestrafen dass man sich fast 80 Stunden lang durch tausende an Dialogboxen geklickt hat. Was ich damit meine ist, dass diese Reihe ein superstarkes Build-up und wirklich extrem viel Potenzial für ein emotionales, überwältigendes Ende hatte, nur um mit dem dritten Teil, Zero Time Dilemma, alles was es sich zuvor aufgebaut hatte, gegen die Wand zu fahren. Doch fangen wir von vorne an
Und zwar mit dem ersten Teil: Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors. oder auch 999 abgekürzt. Dieses Spiel ist für mich der beste Teil der Reihe, was eventuell auch daran liegt, dass es ursprünglich ein eigenständiges Spiel war und erst mit dem zweiten Teil in das Zero Escape Universum retconned wurde. Wie alle nachfolgenden Teile ist das Spiel ein Visual-Novel mit Escape Room Elementen als Gameplay. Das Spiel kam ursprünglich für den Nintendo DS raus, weswegen die Charaktere als Sprites anstatt als 3D-Modelle dargestellt werden, wie es später der Fall ist. Auch die Escape-Räume sowie die Hintergründe sind statische Bilder, durch die man sich “bewegen” kann, indem man die Ansicht des Raumes ändert. Somit gleicht das Gameplay eher einem Wimmelbild als einem frei erkundbaren Escape-Room, wie es in den späteren Teilen der Fall ist, was nichts Negatives sein muss, es macht den ersten Teil vom Schwierigkeitsgrad der Räume nur deutlich einfacher als die Nachfolger. Aber das Gameplay ist sowieso nur zweitrangig, da es sich hier um ein Visual Novel handelt und bei diesem Genre kommt es nur auf eine Sache an, nämlich die Story.

Also, wie finde ich die Story? Es gibt Autoren, die mit ihren Lesern 5D-Schach spielen und dann gibt es Kotaro Uchikoshi, der mit einem 50D-Schach spielt. Soll heißen, dass ein Twist den anderen jagt, es an jeder Ecke in der Geschichte Wendungen gibt und immer, wenn man denkt, dass man den Plot verstanden hat, ein neues Stück Information revealed wird, was das Verständnis von der Story wieder auf Null zurücksetzt. Also, um es mit zwei Worten zusammenzufassen: Mind blown. Ich würde gerne weiter ins Detail gehen, allerdings will ich nicht zu viel spoilern, darum nur die Grundthematik zusammengefasst: Man findet sich ohne Erinnerungen mit 8 anderen fremden Personen auf einem vollkommen leeren Kreuzfahrtschiff wieder welches, wie es uns unserer Entführer namens ‘Zero’ mitteilt, in 9 Stunden sinken wird. Der einzige Weg zu entkommen ist eine Tür mit der Zahl 9 als Beschriftung zu finden und zu öffnen, und mehr kann ich nicht mehr sagen, ohne in Spoiler-Territorien abzudriften. Dieses Setting wird auch für die beiden anderen Teile verwendet, nur mit leicht abgeänderten Regeln und anderen locations. Ein Topic, welches sich ausnahmslos durch die gesamte Serie zieht, ist die für Spike Chunsoft VNs typische Pseudo-Wissenschaft und deren Themengebiete wie z.B. Zeitreisen, die Viele-Welten Theorie, dass Klonen des Bewusstseins sowie eine leicht abgeänderte Version des Morphogenetischen Feldes. Wer sich für diese Themen interessiert, wird die Geschichte auf jeden Fall genießen, für alle anderen könnte es an manchen Stellen zu abstrakt werden, das nur am Rande.

Machen wir mit dem zweiten Teil weiter: Virtues Last Reward(VLR). Hier fing es an mit der Serie in eine etwas unsichere Richtung zu gehen, auf der einen Seite gibt es jetzt komplett frei erkundbare Räume wodurch die Escape-Room Segmente nochmal deutlich an Tiefe hinzugewinnen, auf der anderen Seite wurde der Wechsel von Sprites zu 3D-Modellen gewagt, welche zwar nicht so schlecht aussehen wie die aus Zero Time Dilemma(dazu später mehr) aber dennoch deutlich ausdrucksloser rüberkommen als die Sprites aus 999. Zudem wurde die Art, wie man in der Geschichte weiterkommt, etwas abgeändert, Zero Escape benutzt ein Flowchart-System für die verschiedenen Enden, wie man es aus manch anderen VNs vielleicht kennt. Ein Beispiel, um zu verdeutlichen, wie dieses System funktioniert: Man steht im Spiel oft vor mehreren Entscheidungen welche den weiteren Verlauf der Geschichte entscheiden, man wählt also eine Option aus und spielt das Spiel auf diesem Weg weiter. Wenn man den gewählten Pfad dann durch hat, kann man mit dem Flowchart-System zurück zu dem Punkt der Entscheidung springen, um den anderen Handlungs-Pfad zu spielen. Eigentlich ein gutes System, um den Überblick über die verschiedenen Handlungsstränge zu behalten, nur benutzt VLR sogenannte Story-Locks. Das hat zwar Metanarrative Gründe, aber bedeutet essentiell, dass man manche Story-Pfade erst weiterspielen kann, wenn man einen anderen Abschnitt gemacht hat. Zur Info, VLR hat fast 20 verschiedene Enden(mit Game Over Endings) und dementsprechend auch viele Pfade und dir wird natürlich nicht gesagt, welchen du nehmen musst, um den Story-Lock aufzuheben. Soll heißen, du kannst Glück haben und der nächste Pfad den du wählst hebt den Story-Lock auf oder du nimmst genau die 10 Wege für die du erst einen jeweils anderen Abschnitt abgeschlossen haben musst und bekommst ein “to be continued…” nach dem anderen. Wer also keine Lust auf Trial and Error hat, dem würde ich nahelegen, einen Guide für diesen Teil zu benutzen. Insgesamt aber dennoch ein sehr gutes Spiel, das gleiche kann ich leider nicht wirklich für den nachfolgenden und letzten Teil der Reihe behaupten

Zero Time Dilemma(ZTD). Der abschließende Teil dieser genialen Trilogie. Das Grande Finale. Allein das dieses Spiel überhaupt erschienen ist grenzt schon an ein Wunder, da es mehrere Jahre in der Entwicklungs-Hölle festsaß und zum Schluss von einem komplett anderen Studio fertiggestellt wurde. Dieses Studio hat in meinen Augen absolut furchtbare Design-Entscheidungen getroffen, so wurden alle Novel-Parts entfernt und stattdessen mit animierten Cutscenes ersetzt. Da es, wie man es sich denken kann, ein ziemlicher Aufwand ist, tausende Dialogen ordentlich zu animieren, leidet die Qualität dieser dementsprechend darunter. Dass die 3D-Modelle noch ausdrucksloser als in VLR aussehen, hilft der Sache auch nicht unbedingt. Bei manchen Stellen habe ich sogar extra einen Teil meines Bildschirms abgedeckt, um nur die Untertitel lesen zu können, da mich die klobigen Modells jedesmal aus dem Geschehen geholt haben. Das Flowchart-System aus VLR wurde in etwas abgeänderter Form übernommen. Anstatt dem Verlauf der Story in chronologischer Ordnung zu folgen, kann man aus mehreren zufällig verteilten Punkten wählen, welche zu verschiedenen Zeiten in der Handlung spielen, um sich so nach und nach den eigentlichen Handlungsverlauf zusammen zu puzzeln. Wie in VLR gibt es auch hier wieder Story-relevante Gründe dafür, allerdings war ich persönlich durch dieses Hin und Her Gespringe in der Handlung nie wirklich vollends immersed, anders als in 999. Nach dem ganzen Meckern muss ich das Spiel aber auch mal wieder loben, und zwar dafür, dass die 13 Escape-Räume, die es in diesem Teil gibt, mit Abstand die besten aus der ganzen Reihe sind. Es gab wirklich keinen Moment, wo ich mit den Rätseln frustriert war oder eine gewisse Lösung nicht nachvollziehen konnte.

Frustrierend und nicht nachvollziehbar war für mich leider eine andere Sache, und zwar die Konklusion der Handlung. Ich werde nichts spoilern, allerdings gibt es ein gewisses Ending welches einen extrem großen Impakt auf die gesamte Lore der Reihe hat, aber im kompletten Widerspruch zu den Informationen steht, die man in den ersten zwei Teilen erhalten hat. Zudem ist das True Ending auch nicht wirklich zufriedenstellend und wird abrupt mit einem “fade to white” Effekt beendet. Der Epilog, also den Teil den man eigentlich ausgeschmückt haben will, wurde nicht mal animiert und stattdessen wurde man hier mit ein paar kurzen Paragraphen in den Notizen abgespeist.